WYDAWCA: STOWARZYSZENIE WILLA DECJUSZA & INSTYTUT KULTURY WILLA DECJUSZA
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illegal
Fragment aus dem Buch "illegal", Verlag Antje Kunstmann, München 2009.
*
wir wohnen. 
wir arbeiten.
wir sind ordentlich. 
wir sind fleißig. 
wir haben einen traum. 
wir sind krank. 
wir verstecken uns. 
wir kennen eure regeln 
wir sind gesund. 
wir sind müde.
wir schwitzen.
wir sind ruhig. 
wir sind wach. 
wir sind nervös. 
wir können nachts nicht schlafen. 
schnee können  wir nicht leiden. 
wir arbeiten. 
wir wohnen in zimmern. 
wir wohnen in wohnungen. 
wir grüßen. 
wir halten die tür auf. 
wir sind keine türken. 
wir sind keine griechen. 
wir sind neue menschen. 
wir wohnen in harlaching. 
wir wohnen in giesing. 
wir wohnen in perlach. 
wir wohnen in pasing. 
wir wohnen am hart. 
wir bezahlen miete. 
wir lachen. 
wir brauchen keinen vertrag. 
wir haben kinder 
die wissen nichts. 
wir haben kinder
die es nicht gibt. 
wir verlassen die wohnung. 
senken den blick. 
verlassen die wohnung. 
haben nachbarn. 
wir essen. 
wir trinken. 
ihr wollt wissen 
wo wir herkommen. 
ok. 
ukraine. 
warum soll ich mich solidarisieren, mit den anderen leuten ohne papiere. warum. mit den afrikanern die drogen verkaufen. mit irgendwelchen chinesen die gemüse schnitzen. warum. erklär mir das einer. in frankreich machen sie eine riesenshow. für mehr rechte und son zeug. und dann. gründen sie eine gewerkschaft. und dann. fängt der ganze scheiß an. dann verlieren sie ihre jobs. müssen sich anmelden und liegen den leuten auf der tasche. und die franzosen schreien raus mit den typen. das ist doch scheiße. ich bin neunundzwanzig jahre alt. stamme aus der ukraine. das habe ich mir nicht ausgesucht. und ich will da leben wo ich will. und ich bin für mich selbst verantwortlich. nicht für ein land. nicht für eine stadt. nicht für meine familie. nicht für diese neger in den booten. für niemanden. ich bin in deutschland. ich bin in münchen. und mir geht’s gut. ich habe arbeit. zahle keine steuern. ok. und manchmal schick ich meiner ex-freundin geld. sie hat ein kind. aber nicht von mir. was willst du machen. der typ ist ein arschloch sagt sie. wahrscheinlich einer von diesen blassen schreiberlingen mit denen sie da immer rumhängt. keine ahnung. wir reden nicht drüber. neulich hat sie mir von einem kulturfestival erzählt. alle bands haben auf ukrainisch gesungen. eine band wollte ihre russischen lieder spielen da haben sie denen den strom abgestellt. na toll habe ich gedacht. und jetzt. die ganze stadt hing voller fahnen überall waren lesungen und ein großer markt. sie war völlig begeistert. das war so ein schöner tag. hier singen die bands auf englisch habe ich gesagt. wie überall auf der welt. das hört sich immer noch am besten an. sie hat gesagt arschloch und hat aufgelegt. sie ist sauer dass sie zurückgegangen ist. vielleicht. würde juri sagen. 
häng nicht so viel mit ukrainern und russen rum. die verarschen dich. die meisten haben es zu hause nicht gepackt. haben schulden. verkrachte familie. job verloren. pleite gegangen. sind geldgeil. die hauen dich in die pfanne. wenn du einen besseren job findest als sie scheißen sie auf dich. abends saufen sie mit dir und am nächsten tag rufen sie bei den bullen an. manchmal ärger ich mich dass ich das studium nicht fertig gemacht habe. in freiburg. meine ex-freundin hat es geschafft. sie hat deutsch und englisch studiert. ich deutsch und mathematik. als sie fertig war musste sie zurück. bleib hier habe ich gesagt. aber sie hat gesagt nein. das halte ich nicht aus. ohne papiere das ist nichts für mich. aber wir haben unsere freunde hier habe ich gesagt. du kannst weiter in der bibliothek arbeiten. im café. putzen. alles mögliche. wir schaffen das. sie hat gesagt nein. ich gehe zurück. du weißt. meine zähne. sie hat immer von diesen scheiß zähnen angefangen. ich werde nie krank. bis jetzt. als meine freundin weg war hatte ich keine lust mehr auf studium. aber in freuburg bleiben war unmöglich. viel zu klein. da kennt dich jeder. ich hab aufgehört. also war das visum weg. an dem tag als sie verschwunden ist war es sehr heiß. mitten im sommer. sie hatte zwei koffer einen rucksack und eine von diesen riesigen karierten plastiktaschen. ein freund hat sie nach stuttgart gefahren. von dort ist sie mit dem bus weiter. als wir ihre sachen ins auto geladen haben  hat sie die ganze zeit geheult. ich wusste gar nicht ob ich mich von ihr trenne und mein land verliere oder ob ich mich von meinem land trenne und sie verliere. ich bin einfach dageblieben. in dieser aufgeräumten totenstillen fahrradfahrerstadt. ich stand auf der straße und habe dem roten astra nachgewunken. minutenlang. bis einer die straße hochgefahren kam. und gehupt hat. mein zimmer war ein grab. dunkel und kalt. ohne tania hat alles wehgetan. jeder blick jedes gefühl. jede berührung. wenn ich etwas angefasst habe die kaffeekanne zum beispiel dann haben die hände gebrannt. sogar das warme wasser aus der dusche hat wehgetan. ich habe zwei tage und zwei nächte nicht geschlafen. und dann bin ich nach berlin. ich habe gedacht mich muss mich verstecken. aber berlin war schlimmer als lviv. völlig kaputt. alles voller landsleute. und einmal haben mich ein paar faschos nachts die straße langgejagt. zum glück waren die besoffen und ich war schneller. juri hat mich nach münchen geholt. eins habe ich gelernt: freiheit heißt immer krise. 
ich spare. für mich. weil ich nach amerika will. weiß auch nicht wie das gehen soll mit dem pass. muss ich erst wieder nach hause. wenn ich genug geld habe. und dann das neue visum für amerika. erst bist du tourist. dann fängst du an zu arbeiten. alle wollen nach amerika. das problem ist nur: irgendwann kommst du nur noch mit schleusern zurück in die ukraine. ich lach mich tot. oder sie erwischen mich. na und. dann geht’s heim. und dann. amerika. und dann. bist du wieder illegal. aber in amerika. 
shit happens mein lieber juri. aber er musste ja nach frankfurt fahren. wegen einer frau die er in münchen kennengelernt hat. und am bahnhof haben sie ihn hochgenommen. er hat sich in kiev einen neuen pass besorgt. das hört sich abenteuerlich an. ist es aber nicht. du rufst einen an der ruft einen an der einen kennt und schon hast du einen neuen pass. das ist auch solidarität. wenn die schon ihre fetten grenzen immer fetter machen. der pass ist natürlich ohne diesen stempel dass sie dich hochgenommen haben. und dann fährst du zurück. über polen. aber das haben sie jetzt dicht gemacht. also dauert es einen tag länger. du musst nämlich jetzt nachts über die grenze. das nervt. und ich habe damals gedacht juri hat sein glück gefunden in frankfurt bei dieser frau. aber er hätte sich mal melden können der arsch. was ist mit der frau. juri. keine ahnung hat er gesagt. hab sie nicht gesehen. der bahnhof war mein schicksal hat er gesagt. scheiß frankfurt. scheiß bahnhof. ich habe ein paar juris jobs übernommen. 
wenn sie mich erwischen bin ich bald wieder da. das schwör ich. wie bei juri. es hat vier wochen gedauert. es hat abends geklingelt und schon steht juri wieder da. ich muss arbeiten hat er gesagt. die bullen haben mir das ganze geld abgenommen. ich muss viel arbeiten. oder andere sachen. pass auf ich habe ihm gesagt. du musst geduld haben. ab und zu krummes ist ok. aber bleib aufm teppich. bitte. juri. das ist zu gefährlich sonst. das schaffst du nicht. die machen dich alle. vielleicht hat er gesagt und wir haben beide gelacht und erstmal ne flasche aufgemacht. ich war so glücklich dass juri wieder da war. er wirkte verändert. noch atemloser als vorher. die roten ränder um seine augen sind gar nicht mehr verschwunden. du siehst müde aus habe ich gesagt. ich bin wach. hellwach hat juri gesagt. das passiert mir nicht noch mal. zu hause wird alles immer schlimmer. ich habe meinem vater gesagt dass ich ihm geld schicke. das haus ist kaputt. es regnet rein. die verrecken im winter. noch mal kriegen die mich nicht. so viel redet juri sonst nicht. 
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Bicker Björn [autor]

BJÖRN BICKER (1972, Niemcy) –  autor i dramaturg. Studiował literaturoznawstwo, filozofię i retorykę ogólną w Tybindze i Wiedniu. Pracował jako dramaturg w Wiener Burgtheater, a w latach 2001 do 2009 w Münchner Kammerspiele, gdzie wspólnie z Peterem Kastenmüllerem, Michaelem Graessnerem i innymi był współtwórcą i dyrektorem artystycznym projektów BUNNYHILL 1+2, DOING IDENTITY – BASTARD MÜNCHEN, ILLEGAL oraz HAUPTSCHULE DER FREIHEIT.  Od sierpnia 2009 pracuje jako niezależny autor oraz wykłada dramaturgię i pisanie sceniczne w Otto-Falckenber-Schule w Monachium. Pisze sztuki teatralne, słuchowiska i eseje (do 2008 pod pseudonimem Polle Wilbert).fot. archiwum autora