Tomer Dotan-Dreyfus, Birobidschan, Verlag Voland & Quist GmbH, Berlin und Dresden 2023
Sibirien, 1908. Ein Knall erschüttert den sibirischen Wald Tunguska. Zwei Jahrzehnte später plant Stalin eine jüdisch-sozialistische Autonomie an der Grenze zu China: Birobidschan. Was als stalinistisches Experiment der 1930er Jahre scheitert, wird in Tomer Dotan-Dreyfus’ Debütroman zum Dreh- und Angelpunkt einer funkensprühenden Geschichte: Da sind Alex und Rachel, verliebt seit Kindertagen. Boris Klayn, Fischer und Ur-Birobidschaner. Gregory und Sascha, enge Freunde, einer hat Depressionen, der andere nimmt ihn mit auf einen Roadtrip gen Tunguska. Dmitrij, der Angst vor Wölfen hat. Das Leben in Birobidschan geht seinen Gang, die kleinen und großen Sorgen der Bewohner drehen sich fern allen Weltgeschehens – bis sich die Ereignisse überschlagen: Zwei fremde Männer und ein stummes Mädchen bringen die idyllische Gemeinschaft zum Bersten. In Birobidschan erzählt Tomer Dotan-Dreyfus die so unwahrscheinliche wie charmante Geschichte eines jüdisch-sozialistischen Schtetls in Sibirien und knüpft damit an die jiddische Erzähltradition und den magischen Realismus an. Ein gewitzter Debütroman, eigenwillig und voller Fabulierlust.
Auszug aus dem Buch im Original und in der Übersetzung ins Polnische von Marek Ordon finden Sie auf der Website des Goethe-Instituts:
https://www.goethe.de/ins/pl/de/kul/lit/zdc/tdb.html
© Verlag Voland &Quist GmbH, Berlin und Dresden 2023
Adelheid Duvanel, Fern von hier. Sämtliche Erzählungen, Penguin Random House Verlagsgruppe, 2021
2021 legte der Limmat Verlag die Gesamtausgabe der Erzählungen von Adelheid Duvanel vor, was vom deutschsprachigen Literaturbetrieb als «Das Ereignis der Büchersaison» gefeiert wurde. Diese Ausgabe vereinigt sämtliche in Buchform sowie in Zeitschriften, Zeitungen und Anthologien erschienenen Erzählungen der großartigen Meisterin der kleinen Form. Jede der insgesamt 251 Erzählungen in diesem Band erzählt auf zwei bis höchstens sechs Seiten von einem verfehlten Dasein, in dem die Figuren regelmäßig existenziellen Schiffbruch erleben. Trotz ihres manchmal finsteren Inhalts leben die Texte von überraschenden, absurden Wendungen und einer wunderbaren hintergründigen Komik. Die radikale poetische Kraft ihrer Sprache macht Adelheid Duvanel zu einer der bedeutendsten Stimmen der Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts. Duvanel gilt als Meisterin der kurzen Form: sie porträtiert durch Makel, Angst und Leid gezeichnete Menschen, Ausgestoßene, sonderbare Charaktere und Eigenbrötlerinnen, die sich das Recht nehmen, lebensuntüchtig zu sein – und dabei ihre Freiheit und Würde behaupten. Ihre Sprache ist präzise, lakonisch und hochverdichtet, dabei von einem hintergründigen Humor temperiert, der manchmal ins Surreale und ins Groteske kippt. Ihre Prosaminiaturen sind einzigartig und haben einen eigenen Ton.
Auszug aus dem Buch im Original und in der Übersetzung ins Polnische von Dorota Stroińska finden Sie auf der Website des Goethe-Instituts:
https://www.goethe.de/ins/pl/de/kul/lit/zdc/adf.html
© Penguin Random House Verlagsgruppe
Terézia Mora, Muna oder Die Hälfte des Lebens, Penguin Random House Verlagsgruppe, 2023
Muna stammt aus der ostdeutschen Provinz, hat eine schwierige Kindheit – ihr Vater stirbt an Krebs, Mutter-Schauspielerin ist alkoholabhängig. Als die Protagonistin achtzehn wird, fällt die Berliner Mauer. Muna ist begabt und voller Elan, aber ihre Beziehungen zu denjenigen, die sie liebt, sind toxisch: sie ist imstande, alles zu akzeptieren, zu vergeben und zu entschuldigen, auch angesichts Erniedrigungen und Gewalt. Als Opfer identifiziert sie sich mit dem Täter. Sie gibt ihre Pläne, Karriere und Freundschaften auf. Ihre bewegende Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Diese Stilistik lässt die Autorin sich von jeglicher Art Wertung zurückzuhalten und zugleich die Gedanken der Protagonistin in den Vordergrund zu stellen. Da die Text an vielen Stellen von Emotionslosigkeit und Ausdrucksknappheit gezeichnet ist, kommen die Fakten umso kräftiger zum Vorschein. Der von Luchterhand Verlag veröffentlichte Roman war für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert und ist der erste Teil einer Trilogie, die verschiedenen Aspekten der Weiblichkeit gewidmet ist.
Auszug aus dem Buch im Original und in der Übersetzung ins Polnische von Małgorzata Słabicka-Turpeinen finden Sie auf der Website des Goethe-Instituts:
https://www.goethe.de/ins/pl/de/kul/lit/zdc/tmm.html
© Penguin Random House Verlagsgruppe
Dana von Suffrin, Otto, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2021
Otto – Familienoberhaupt, cholerischer und manipulativer Patriarch – wird zum Pflegefall, seine Töchter sollen sich um ihn kümmern. Wir lernen eine jüdische Familie kennen, in der Beziehungen auf den Kopf gestellt, aber trotzdem liebevoll sind und ihre komplizierte Vergangenheit, von der Geburt des Vaters in Siebenbürgen über das Leben in Israel bis hin zum Umzug nach Deutschland. Es geht um das Leben einer jüdischen Familie in München und die Vergangenheit, die einen Schatten auf das Jetzt wirft, von der aber mit überraschender Leichtigkeit und schwarzem Humor erzählt wird. Die Autorin bedient sich einer besonders interessanten Sprache, die einer Tradition von den auf Jiddisch schreibenden Autoren wie Isaak Baschewis Singer entstammt.
Auszug aus dem Buch im Original und in der Übersetzung ins Polnische von Zofia Sucharska finden Sie auf der Website des Goethe-Instituts:
https://www.goethe.de/ins/pl/de/kul/lit/zdc/dso.html
© Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2021
Natascha Wodin, Sie kam aus Mariupol, Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 2017
Sie kam aus Mariupol ist ein außergewöhnliches Buch über die Suche nach familiären Wurzeln. Nachdem die Autorin die Spuren ihrer Mutter gefunden hat, entdeckt sie ihre aristokratische Herkunft, ihre deutschen und italienischen Vorfahren. Ihre Mutter stammte aus Mariupol und wurde mit ihrem Mann nach Deutschland deportiert. Sie war Zeugin des Untergangs ihrer Familie während des stalinistischen Terrors. Sie und ihr Mann überlebten deutsche Luftangriffe auf Mariupol, russische auf ihrem Weg nach Deutschland und amerikanische auf Leipzig. Ihr Leid endet nicht mit dem Krieg. Um Repressionen in ihrer Heimat zu entgehen, fliehen sie nach Bayern. Sie leben in Lagern für sogenannte Displaced Persons, sind von Deportation bedroht, leiden an Hunger, werden gedemütigt und ausgegrenzt. In dieser Situation sucht der Vater Zuflucht in Alkohol und russischen Büchern, und die Mutter verfällt dem Wahnsinn und begeht schließlich Selbstmord. Natascha ist damals zehn Jahre alt.
Die Autorin greift ein Thema auf, das in der Literatur über den Zweiten Weltkrieg äußerst selten beschrieben wird: und zwar Leiden und Tod von Millionen sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener. Wie die Kritikerin Siegrid Löffler feststellt, ist das Ziel von Natascha Wodin – ähnlich wie bei W. G. Sebald – die Geschichte derjenigen zurückzufordern, die nicht mehr für sich selbst sprechen können.
Das Buch war in Deutschland und vielen anderen Ländern ein großer Erfolg. Es wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Preis der Leipziger Buchmesse. Es ist ein Spiegel-Bestseller, 150.000 Exemplare wurden bis heute verkauft, es wurde in 17 Sprachen übersetzt.
Auszug aus dem Buch im Original und in der Übersetzung ins Polnische von Ewa Mikulska-Frindo finden Sie auf der Website des Goethe-Instituts:
https://www.goethe.de/ins/pl/de/kul/lit/zdc/nws.html
© Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Die oben genannten Empfehlungen wurden in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Krakau im Rahmen des Projekts „Zusammen do celu“ erstellt, das vom Goethe-Institut und dem Polnischen Verband der Literaturübersetzer durchgeführt wird. Mehr über das Projekt: https://www.goethe.de/ins/pl/de/kul/lit/zdc.html